Quelle: www.lpk-rlp.de
“Laufen, dreimal pro Woche 10 Kilometer, schwimmen … und durch das Gelände galoppieren, Katharina war sehr sportlich, bevor sie an CFS erkrankte. Sie hat Glück gehabt, ihr geht es wieder besser, ... Trotz Besserung setzt ihr die Krankheit enge Grenzen. “... heute würde ich sagen, bin ich bei 80 bis 90 % (Leistungsfähigkeit), aber nur unter der Voraussetzung, dass ich halbtags arbeite, auf Sport verzichte, auf meinen geliebten Sport verzichte … wenn ich dann einmal doch einen längeren Spaziergang mache - was heute zum Glück auch wieder möglich ist - oder auch längere Zeit arbeite, mich konzentriere, dann kann es sein, dass ich den Grad des Möglichen überschreite, und dass es mir danach wieder wesentlich schlechter geht, dass ich also von diesen 80% wieder auf 20% zurückfalle. Und dann ist es aber auch ganz ganz wichtig, dass ich mich ausruhe. Und Ausruhen heißt hier nicht wie beim Normal-Gesunden, sich hinzusetzen und was zu lesen, sondern Ausruhen heißt: wirklich im abgedunkelten Raum, keine Geräusche, kein Licht, nur Ruhe.” (Szene aus “In engen Grenzen - Leben mit CFS, 2012)
So dokumentiert der Film „In engen Grenzen“ die Besserung der Protagonistin Katharina, die an Myalgischer Enzephalomyelitis (ME) bzw. Chronic Fatigue Syndrom (CFS) erkrankt ist. Katharina beschreibt in der Szene anschaulich das charakteristische Symptom dieser Erkrankung „Zustandsverschlechterung nach Belastung“. An konkreten Beispielen zeigt die Dokumentation verschiedene Schweregrade der Erkrankung und die Lebenswelten der Betroffenen. Viele können keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen, ihre Familie nicht mehr versorgen, werden oft sogar zum Pflegefall. Zudem leiden die Kranken sehr unter dem Unverständnis von Ärzten, Psychotherapeuten und Gesellschaft.
In engen Grenzen
Die Symptome von ME/CFS sind eigentlich seit über 50 Jahren bekannt. Die Erkrankung ist als organische Störung des Gehirns (postvirale Fatigue
Syndrome (PVFS), Benign Myalgic Encephalomyelitis (BEME) G 93.3 in der ICD-10 gelistet. Nach Schätzung des Bundesministerium für Gesundheit sind in Deutschland rund 300.000 Menschen betroffen.
Dennoch kennen die meisten Ärzte und Psychotherapeuten das Krankheitsbild nicht. Das Fehlen einer auf ME/CFS-Kranke zugeschnittenen medizinischen, psychotherapeutischen und psychosozialen
Therapie bedeutet für die Betroffenen häufig eine jahrelange Odyssee durch das Gesundheitssystem, verbunden mit der Gefahr zusätzlicher Schädigungen und sozialer Ausgrenzung.
Fachlich besteht Übereinstimmung, dass die Genese zu ME/CFS nicht geklärt ist. Vermutet wird eine chronische Infektion und Immundysfunktion. Entsprechend existiert auch keine verbindlich abgesicherte Therapie. Ebenso ist nicht geklärt, ob sich hinter dem Krankheitsbild eine oder mehrere Krankheiten verbergen. Der unbefriedigende Stand des Wissens und die Komplexität der Multisystemerkrankung erschweren Diagnostik und Therapie. Psychotherapeuten und Ärzte lösen diese schwierige Situation sehr unterschiedlich. Ein Teil geht auf Distanz, verzichtet auf weitere Diagnostik und Behandlungsversuche. Viele folgen der ungeschriebenen Tradition, nach der diffuse Beschwerden und ungeklärte Krankheitsbedingungen Indizien für psychische Störungen sind und deshalb (ausschließlich) psychotherapeutische Maßnahmen indiziert sind. Nur wenige halten den Konflikt aus und vermeiden die Flucht in voreilige Sicherheiten.
ME/CFS-Kranke brauchen Psychotherapeuten und Ärzte
Bei allen Unklarheiten und Unsicherheiten besteht aber auch Konsens, dass ME/CFS eine schwere und chronische Erkrankung ist. Auch bei ungeklärter Ätiologie und fehlenden Standarttherapien sind
die Betroffenen auf fachliche Hilfe angewiesen. Um die Krankheit zu bewältigen, um Erleichterungen und um Besserungen zu erreichen, brauchen die Kranken Therapeuten, die ihnen auf unsicherer
Basis und mit begrenzten Mitteln helfen. Ein Teil der erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Leistungen kann und sollte von Psychotherapeuten erbracht werden. Gemeinsam mit
Ärzten können sie 1. die Diagnose sichern, 2. ME/CFS von anderen Störungen wie Depression, Burnout, Ängsten oder somatoformen Störungen abgrenzen und 3. komorbide Störungen identifizieren. Dabei
können sie sich am Kanadischen Konsens Dokument (Carruthers, B.M., van de Sande, M.I. 2005/2006) und den internationalen Leitlinien (Carruthers, B.M., van de Sande, M.I. 2011) orientieren. Diese
beschreiben wesentliche wiederkehrende diagnostische Merkmale von ME/CFS adäquat und liefern Hinweise für weitergehende Untersuchungen. Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass entgegen
geläufiger Vorurteile, ME/CFS-Kranke nicht zur Simulation, sondern im Gegenteil aus Schamgefühlen heraus sogar zur Untertreibung ihrer Beschwerden neigen.
“CFS ist keine psychische Störung, aber diese Krankheit hat als Auswirkung, dass die betroffenen Personen extrem in ihren Möglichkeiten, aktiv zu sein, eingeschränkt sind, in ihrem Erleben von
Kontrolle und Selbstkontrolle über das eigene Erleben und insofern hat diese Erkrankung, schwere und schwerste Konsequenzen für die Lebensführung. Und dafür sind dann psychotherapeutische und
psychologische Unterstützungsmöglichkeiten sehr indiziert. Aber es geht nicht darum, die eigentlich somatisch begründete Störung, dieses neuro-immun Störung ursächlich zu behandeln.”
(Zitat Alfred Kappauf, in einer Szene aus “In engen Grenzen - Leben mit CFS, 2012)
Mit diesem Statement beschreibt Alfred Kappauf (Präsident der LPK Rheinland-Pfalz) in der Dokumentation „In engen Grenzen“ die Auswirkungen von ME/CFS und die Aufgaben von Psychotherapie und
Beratung. Sie entsprechen denen anderer chronischer Erkrankungen. Im Einzelnen sind dies:
Mit der Dokumentation „In engen Grenzen“ und der Sendereihe „Selbsthilfe Treff ME/CFS“ macht die Initiativgruppe ME/CFS Rheinland-Pfalz auf die Defizite in der Versorgung aufmerksam und stellt fachliche Hilfen vor. Die Gruppe möchte anregen, sich mit dem Krankheitsbild und den damit verbundenen Probleme auseinanderzusetzen.
Literatur
Carruthers, B.M., van de Sande, M.I. (Hrsg.), 2005/2006. Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom - Klinische
Falldefinition und Leitfaden für Ärzte
Carruthers, B.M., van de Sande, M.I., et al., 2011. Myalgic encephalomyelitis: International
Consensus Criteria, Journal of Internal Medicine
weitere Informationen
http://www.in-engen-grenzen.de
http://www.fatigatio.de
http://www.lost-voices-stiftung.org
Kontaktadresse
Geschäftsstelle Initiativgruppe ME/CFS Rheinland-Pfalz
c/o Gabriele & Werner Knauf
Eckenerstr. 6
76829 Landau
Tel. 06341-88133
Email:gwknauf@online.de
Initiativgruppe ME/CFS Rheinland-Pfalz
In der Initiativgruppe arbeitet seit Ende 2010 Psychologen und psychologische Psychotherapeuten zusammen, um die Akzeptanz von ME/CFS in der (Fach-)Öffentlichkeit zu verbessern. Die Gruppe hat
den Dokumentarfilm „In engen Grenzen – Leben mit CFS“ produziert und verantwortet auch die Sendungen „Selbsthilfe Treff ME/CFS“.